Zukunft des Handwerks sichern: Lübecks innovative Ansätze gegen Fachkräftemangel

Die Stadt Lübeck verfügt über eine reiche Handwerkstradition, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Die Handwerkskammer Lübeck vertritt über 22.000 Handwerksbetriebe mit rund 175.000 Beschäftigten in Schleswig-Holstein. Diese starke Basis im Handwerk ist jedoch durch den zunehmenden Fachkräftemangel bedroht. Die Ursachen sind vielfältig und komplex, sie reichen von demografischen Veränderungen über die Attraktivität alternativer Berufsfelder bis zu strukturellen Herausforderungen in der Ausbildung.

Handwerker auf einer Baustelle, © pixabay.com/Anna
Handwerker auf einer Baustelle, © pixabay.com/Anna

Zahlreiche innovative Lösungsansätze der Stadt Lübeck sowie von Bildungseinrichtungen und Unternehmen zielen darauf ab, den Fachkräftemangel im Handwerk zu bekämpfen und die Zukunft dieser Branche in der Stadt zu sichern.

Aktuelle Situation und Herausforderungen

Der Fachkräftemangel im Handwerk hat in den letzten Jahren dramatisch zugenommen. Im Jahr 2022 gab es deutschlandweit 236.818 offene Stellen im Handwerk, während nur 128.891 qualifizierte Arbeitslose zur Verfügung standen. In Lübeck spiegelt sich dieses Problem insbesondere in den Bereichen Bau, Bauelektrik sowie Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik wider. Diese Branchen sind entscheidend für die Umsetzung von Bauprojekten und nachhaltigen Energielösungen, aber sie leiden unter einem Mangel an qualifizierten Fachkräften.

Eine arbeitsagentur.de – Studie der Bundesagentur für Arbeit zeigt, dass in jedem dritten Handwerksberuf ein Fachkräftemangel herrscht. Die Konsequenzen dieses Mangels reichen von Verzögerungen bei Bauprojekten über steigende Kosten und eine Überlastung der vorhandenen Arbeitskräfte bis zu einer verminderten Qualität der handwerklichen Dienstleistungen.

Initiativen und Projekte der Stadt Lübeck

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, hat die Stadt Lübeck mehrere Initiativen gestartet. Die Handwerkskammer Lübeck unterstützt Betriebe mit einer Reihe an Projekten dabei, ihren Bedarf an Nachwuchs- und Fachkräften zu sichern. Zu den geförderten Projekten gehören unter anderem das "Beratungsnetzwerk Alle an Bord! – Perspektive Arbeitsmarkt für Geflüchtete", das darauf abzielt, Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren, sowie "Berufsbildung ohne Grenzen", welches internationale Berufserfahrungen fördert.

Weitere Initiativen wie "Energiewende-Experte im Handwerk" und "INQA-Coaching" konzentrieren sich auf die Qualifizierung von Fachkräften für zukunftsträchtige Branchen und die Verbesserung der Arbeitsqualität. Das Projekt "IQ Integration durch Qualifizierung" unterstützt die Integration durch gezielte Weiterbildung, während "Netzwerk B.O.A.T." und "Teilzeitausbildung für alle!" Geflüchteten und anderen Zielgruppen spezifische Bildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten bieten.

Zudem sorgen Programme wie "Passgenaue Besetzung" und "Willkommenslotsen" dafür, dass Betriebe passende Auszubildende und Mitarbeiter finden. Insgesamt tragen diese vielfältigen Projekte der Handwerkskammer Lübeck dazu bei, die Region für die Zukunft zu rüsten und dem Fachkräftemangel nachhaltig entgegenzuwirken.

Innovative Ausbildungskonzepte

Die Handwerkskammer Lübeck setzt auf innovative Ausbildungskonzepte, um den Fachkräftenachwuchs zu sichern und die Attraktivität handwerklicher Berufe zu steigern. Zu den herausragenden Initiativen gehört die "Azubi Akademie", die Auszubildenden zusätzliche Qualifikationen vermittelt, sowie das "Duale Studium – StudiLe", das ein Studium mit einer integrierten Lehre kombiniert.

Mit dem neuen Projekt "Freiwilliges Handwerksjahr" (FHJ), das am 1. Juli 2024 gestartet wurde und bundesweit Pionierstatus genießt, geht die Handwerkskammer Lübeck neue Wege: Ausbildungsinteressierte haben die Möglichkeit, innerhalb eines Jahres vier verschiedene Handwerksberufe kennenzulernen. Für jeweils drei Monate arbeiten die Jugendlichen und Studienzweifler in einem Betrieb und sammeln praktische Erfahrungen in mehr als 130 Berufen. Dieses Konzept ermöglicht eine praxisnahe Orientierung und hilft dabei, die richtige Berufswahl zu treffen.

Weitere Programme wie "Gesellen – Stark in Ausbildung", "Qualität in der Ausbildung" und Seminare für Ausbildungsbetriebe tragen zur Verbesserung der Ausbildungsqualität bei, während der "Technische Betriebswirt (TBW)" Fachkräfte auf höhere Führungsaufgaben vorbereitet. Die Initiative "Willkommen im Handwerk" unterstützt den Einstieg in handwerkliche Berufe und fördert eine Willkommenskultur. Ein bedeutendes Projekt, das derzeit realisiert wird, ist der Trave-Campus. Dieser Campus wird ein zentraler Ort für die berufliche Aus- und Weiterbildung in Lübeck sein und moderne Ausbildungsstätten sowie Schulungsräume bieten. Insgesamt sorgen diese vielfältigen und innovativen Ansätze dafür, dass die Handwerkskammer Lübeck zukunftsorientiert aufgestellt ist und jungen Menschen attraktive Perspektiven bietet.

Erste Erfolge zeichnen sich bereits ab. Bis zum 31. Mai 2024 haben im Bezirk der Handwerkskammer Lübeck schon 1.505 Schulabgängerinnen und Schulabgänger ihren Ausbildungsvertrag in einem handwerklichen Beruf unterschrieben.

Technologische Innovationen und Digitalisierung

In einer technologisierten Gesellschaft bringt das Handwerk viele neue Produkte und Verfahren hervor, die auf individuelle Kundenwünsche eingehen. Auch innerhalb der Betriebe schreitet die Digitalisierung stetig voran. Um Betriebe fit für die Zukunft zu machen, bietet die Handwerkskammer Lübeck kostenfreie Innovations- und Technologieberatung für ihre Mitgliedsbetriebe an.

Die Berater unterstützen bei der Einführung und Umsetzung neuer Technologien, begleiten Projekte, helfen bei der Antragstellung für Fördermittel und unterstützen bei der Vermarktung von Innovationen. Auch die Moderation von Projekten und eine intensivere Begleitung im Rahmen geförderter Projekte sind möglich. Die Berater kommen gerne direkt in die Betriebe, um vor Ort zu beraten und maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln.

Ein zentrales Element ist das im Juli 2023 vom Land Schleswig-Holstein gestartete Förderprogramm "go-digital" zur Digitalisierung, das aus zwei Modulen besteht. Modul 1 bietet eine bis zu 50% geförderte Beratung durch "go-digital" zertifizierte Beratungsunternehmen. Modul 2 fördert die Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen mit Beträgen zwischen 10.000 und 20.000 Euro und deckt bis zu 40% der Kosten ab. Dieses Programm richtet sich an Unternehmen, die unter 50 Arbeitsplätze und eine jährlichen Umsatz von höchsten 10 Mio. Euro haben.

Monteurzimmer als Lösungsmöglichkeit

Eine innovative Lösung zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ist die Bereitstellung von Monteurzimmern. Diese temporären Unterkünfte bieten Fachkräften von außerhalb eine kostengünstige Wohnmöglichkeit während ihrer Arbeitseinsätze in Lübeck. Monteurzimmer sind insbesondere für Bauprojekte und andere zeitlich begrenzte Einsätze von großer Bedeutung, da sie die Flexibilität der Fachkräfte erhöhen und die Attraktivität der Stadt als Arbeitsort steigern.

In Lübeck gibt es bereits mehrere Initiativen und Projekte, die Monteurzimmer bereitstellen und verwalten. Diese Unterkünfte sind oft gut ausgestattet und bieten den Fachkräften ein angenehmes Wohnumfeld. Dadurch wird es für Handwerker aus anderen Regionen oder Ländern attraktiver, zeitweise in Lübeck zu arbeiten und so den lokalen Fachkräftemangel zu lindern.

Zusammenarbeit und Netzwerke

Die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteuren ist ein entscheidender Faktor, um den Fachkräftemangel erfolgreich zu bekämpfen. In Lübeck gibt es mehrere Handwerksnetzwerke und Verbände, die den Austausch und die Kooperation fördern. Diese Netzwerke bieten eine Plattform für gemeinsame Projekte, den Wissenstransfer und die Entwicklung neuer Lösungsansätze.

Ein Beispiel für ein erfolgreiches Netzwerk ist die Handwerkskammer Lübeck, die regelmäßig Veranstaltungen und Workshops organisiert, um Betriebe und Fachkräfte zusammenzubringen. Sie fördert die Zusammenarbeit und den Aufbau von Netzwerken, um die Interessen und Belange des Handwerks effektiv zu vertreten.

Die Kreishandwerkerschaft Lübeck betreut etwa 700 Betriebe, die den Innungen des Bezirks angehören, und vertritt deren gemeinsame Interessen. Auf Landesebene agiert die Handwerkskammer Schleswig-Holstein, eine Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern Lübeck und Flensburg, die seit dem 1. Januar 2007 die Gesamtinteressen der über 30.000 Handwerksbetriebe im Land gegenüber Politik, Verwaltung und Gesellschaft vertritt.

Die Kreishandwerkerschaften im Bezirk der Handwerkskammer Lübeck unterstützen die Handwerksinnungen vor Ort und vertreten die Interessen des selbständigen Handwerks. Die Innungen und Landesinnungsverbände bieten ihren Mitgliedern umfangreiche Beratungsangebote und unterstützen in den Bereichen Arbeitssicherheit, Prozessvertretung und Ausbildung.

Zudem ist Handwerk Schleswig-Holstein e.V., der Dachverband, der die Interessen der Handwerksunternehmen bündelt, ein wichtiger Partner. Auf nationaler Ebene vertritt der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) die Interessen von rund einer Million Handwerksbetrieben gegenüber politischen und zentralen Behörden sowie internationalen Organisationen. Das Netzwerk der Unternehmerfrauen im Handwerk engagiert sich für die Stärkung und Anerkennung von Frauen als Führungskräfte im Handwerk. Diese umfassende Vernetzung stellt sicher, dass das Handwerk in Lübeck und Schleswig-Holstein eine starke Stimme hat und seine Anliegen auf allen Ebenen vertreten werden.

Finanzielle Unterstützung und Förderprogramme

Die Stadt Lübeck bietet vielfältige finanzielle Unterstützungs- und Förderprogramme, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und die Qualifikation der Arbeitskräfte zu erhöhen. Dazu gehört das Aufstiegs-BAföG, das die Weiterbildung von Gesellen zu Meistern unterstützt, sowie das Programm "WeGebAU", das Weiterbildungsmaßnahmen für geringqualifizierte und ältere Arbeitnehmer finanziert.

Für Handwerksmeister, die sich erstmals selbstständig machen, gibt es die Meistergründungsprämie Schleswig-Holstein, die bis zu 10.000 Euro Unterstützung bietet. Unternehmen können zudem betriebliche Investitionen durch zinsgünstige öffentliche Darlehen und Investitionszuschüsse fördern lassen.

Die Bürgschaftsbank Schleswig-Holstein kann Ausfallbürgschaften für Investitions- und Betriebsmittelkredite bis zu 1 Million Euro übernehmen. Auch die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Schleswig-Holstein GmbH (MBG) unterstützt durch stille und offene Beteiligungen, um die wirtschaftliche Eigenkapitalbasis der Unternehmen zu stärken.

Darüber hinaus bietet das Land Zuschüsse zur Weiterführung von Unternehmen, Schaffung von Arbeitsplätzen und Förderung der Innovationskraft, die meist über die Förderinstitute des Landes wie die Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) bereitgestellt werden. Existenzgründer können Gründungszuschüsse und Einstiegsgelder bei den Agenturen für Arbeit und Jobcentern beantragen. Insgesamt bieten diese Programme finanzielle Anreize und Unterstützung, um in die Ausbildung und Weiterbildung zu investieren und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Lübeck zu sichern.

Fazit

Der Fachkräftemangel im Handwerk in Lübeck ist eine komplexe Herausforderung, die nur durch gemeinsame Anstrengungen und innovative Ansätze bewältigt werden kann. Durch eine Kombination aus Ausbildung, Digitalisierung und internationalen Rekrutierungsstrategien zeigt die Stadt, wie eine erfolgreiche Fachkräftesicherung gelingen kann.

Ausbildungsprogramme, wie die duale Ausbildung und gezielte Weiterbildungsmaßnahmen, sind essenziell, um die notwendigen Qualifikationen zu vermitteln und junge Menschen sowie Quereinsteiger für das Handwerk zu begeistern.

Die Digitalisierung bietet zudem neue Möglichkeiten, die Attraktivität und Effizienz handwerklicher Berufe zu steigern. Innovative Technologien wie Augmented Reality und digitale Baupläne optimieren Arbeitsprozesse und machen die Berufe zukunftsfähig.

Zusätzlich spielen finanzielle Förderungen und die Bereitstellung von Monteurzimmern eine wichtige Rolle, um die Fachkräfte aus anderen Regionen anzuziehen und ihnen attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten.

Netzwerke und Kooperationen zwischen verschiedenen Akteuren, wie Handwerkskammern, Bildungseinrichtungen und Unternehmen, fördern den Austausch und die Entwicklung gemeinsamer Lösungen. Mit diesen vielschichtigen Maßnahmen und einer klaren Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes kann Lübeck den Fachkräftemangel im Handwerk erfolgreich bekämpfen und die Zukunft dieses essenziellen Wirtschaftszweigs sichern.

Langfristig wird es darauf ankommen, diese Ansätze kontinuierlich weiterzuentwickeln und anzupassen, um den sich verändernden Anforderungen gerecht zu werden und die Wettbewerbsfähigkeit der Handwerksbetriebe in Lübeck zu erhalten.

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